Anmerkungen zur Solothurner Enneade
Die Zeichnung in Gestalt von neun autonomen und dennoch voneinander abhängigen Aspekten – die gegenseitige Abhängigkeit verkörpert dabei den «Freiheitsgrad» der Konstruktion – wird als präzise Konstellation in triadischer Anordnung präsentiert. Sie verkörpert in verschiedenerlei Hinsicht, wenn auch nicht buchstäblich, die wichtigsten Merkmale der Solothurner Jesuitenkirche und umreisst damit die Bedingungen für einen Dialog, in dessen Verlauf wesentliche barocke Ausdrucksmittel in Augenschein genommen werden. Der besondere Charakter dieses Dialogs, für den diese spezifischen Bedingungen geschaffen werden, soll rein «innerlich» sein, das heisst, er ist als strikt nicht-diskursiv zu verstehen und beschränkt sich auf eine «formale Synthese»: die Bedeutung ist gleichzusetzen mit einer fortwährenden Rekonstruktion der Beziehungen und Zuschreibungen zwischen den neun Aspekten des Ganzen. Das Funktionsprinzip, der in Gang gesetzte Dialog mit allgemeinen barocken Ausdrucksformen, ist vollkommen in das eingebunden, was William Blake als «geistige Vorstellungskraft» des aktiv Mitwirkenden bezeichnete. Die Möglichkeit, «Inhalt» mit «Bedeutung» zu assoziieren, fällt dabei schlicht weg.
Die Hommage an Plotin (3. Jh. n. Chr.) verrät drei bewusste Motive, die ursprünglich die Koordinaten für die Zeichnung von neun autonomen und dennoch voneinander abhängigen Aspekten bildeten: Plotin war es, der sein Meisterwerk in sechs Werke gliederte, von denen jedes aus neun Abschnitten bestand; er ist es, der am Anfang der mythopoetischen Spekulation der Kirchenväter der Ost- und Westkirche steht, weil er für sie, und zwar auf ausserordentlich scharfsinnige und originelle Art, das Werk Platons interpretierte; und er war es auch, der vor allen anderen unter römischer Herrschaft leidenschaftlich von der Äquivalenz der Begriffe Einheit und Wahrheit überzeugt war und damit das grundlegende Bindeglied zwischen Jerusalem und Athen schlechthin schmiedete.